Bundlose Freiheit
Ein Detail, das die äußere Eleganz und Schönheit der Shamisen unterstreicht, ist das Fehlen jeglicher Markierungen am Hals. Der Hals in eine lange, glatte Schönheit, nichts lenkt das Auge ab. Die grenzenlose Freiheit erlaubt einem einerseits, Vierteltöne und Mikrotöne zu spielen, andererseits macht sie es auch nötig, sorgfältiger zu sein, was die Platzierung der Finger angeht, um einen sauberen Ton anzuschlagen. Zum Spielen braucht man keine Markierungen – sonst hätte man sie ja eingebaut. Trotzdem spricht nichts dagegen, sich kleine optische Gedächtnishilfen zu gönnen, denn gerade am Anfang ist alles so neu und es gibt so vieles auf das man gleichzeitig achten möchte. Da ist es schön, wenn man das müde Hirn ein wenig entlasten kann.
Lernt man Lieder nach Bunkafu-Notation (die Tabularturnotation für Shamisen), ist die Markierung von Tonhöhen besonders sinnvoll und hilfreich, denn die Noten sind im Grunde „Malen nach Zahlen“ für Musik – also „Klingen nach Zahlen“. Jede Position entspricht einem bestimmten Ton. Die Positionen, die in der Bunkafu-Notation gebraucht werden, sind in Halbtonschritten voneinander entfernt. Wenn die 0 beispielsweise ein C ist, ist die 1 ein Cis, die 2 ein D usw. Warum es Kreuz und b gibt, hat etwas mit der Entwicklung des Repertoires und der Skalen zu tun, und sie sind eine neue Addition zu den vorher existierenden Positionen. Durch diese Ergänzung kommen wir auf 12 Halbtonschritte innerhalb einer Oktav, was dann wieder dem westlichen klassischen Tonvorrat entspricht.
Fujaku Strip als Positionsmarkierung
Fujaku Strip vor dem Anbringen
Aufgeklebter Fujaku Strip
Punkte als Positionsmarkierung
Welche Positionen markieren?
Vorbereitung zum Positionen Markieren
Positionen verorten: Mit dem Maßband
Positionen verorten: Mit dem Stimmgerät
Zu tief gestimmtes C
Sauber gestimmtes C
Zu tief gestimmtes C
Sauber gestimmtes C
Strategisch sinnvoll ist es, von tiefem Ton nach hohem Ton zu markieren. Stellt sicher, dass eure dicke Saite sauber auf C gestimmt ist und kontrolliert das zwischendurch auch immer mal wieder, denn die Positionen werden immer in Relation zur leeren Saite gesetzt. Tipps zum Stimmen könnt ihr hier nochmal nachlesen und anschauen.
Man kann das ganze im Sitzen in Spielposition machen, aber leichter ist es, gerade für frische Spieler, die Shamisen flach vor sich auf den Tisch zu legen – dann hat man das Stimmgerät gut im Blick und die Hände frei. Zupft also die dicke leere Saite an und kontrolliert, ob sie noch sauber gestimmt ist. Drückt dann die Saite beim nächsten Zupfen mit einem Finger (Zeigefinger oder Daumen sind am agilsten) möglichst nah am Kamigoma herunter und schiebt den Finger langsam mit sanftem Druck auf die Saite weiter Richtung Dou. Das Stimmgerät wird euch jetzt anzeigen, in welchem Tonbereich ihr euch befindet. Stoppt dann ungefähr auf dem Ton, wo ihr eure Markierung setzen wollt und wechselt zum Fingernagel, um die Position präzise zu lokalisieren. Die stelle könnt ihr dann entweder mit einem Bleistift markieren oder direkt einen Punkt kleben. Und von dem Punkt aus arbeitet ihr euch immer weiter in Richtung Dou, bis ihr alle Punkte markiert habt, die ihr braucht. Ich habe euch eine Übersicht über alle Positionen gemacht, die ihr am Ende des Artikels kostenlos herunterladen könnt.
Vom Groben zum Feinen: Nehmt für das finale Verorten der Position am besten den Fingernagel, um die Saite an einer Position abzudrücken, da die Fingerkuppe so breit und weich ist, dass es schwer zu sagen ist, wo genau man die Saite eigentlich drückt. Ich rate dazu, den groben Ton mit der Fingerkuppe anzusteuern und dann auf den Fingernagel umzusteigen.
Alte Klebereste entfernen
Hat man alte Punkte oder einen alten Fujaku Strip, die entfernt oder ersetzt werden sollen, bleiben oft schmierige Klebereste auf dem Holz zurück. Ihr könnt die gröbsten Reste mit dem Fingernagel oder einer weichen Plastikkante (wie von einem Lineal etwa) abschaben. Die letzten Überbleibsel lassen sich am besten mit einem Tropfen Öl und einem weichen Tuch entfernen. Gebt einfach ein bisschen neutrales Öl auf das Tuch und reibt über die Klebereste. Mit einer trockenen Ecke des Tuches kann man dann etwas kräftiger rubbeln, wenn der Schmier Widerstand bietet. Das gleiche gilt für alle Klebereste oder Schmutz auf der Shamisen. Öl ist euer bester Freund. Denkt daran, dass das Holz gepflegt werden möchte und euch mit extra schönem Glanz für die gute Behandlung belohnt.
Mut zur Lücke
Je mehr man spielt, desto besser wissen die Hände und die Ohren, wo man hin will und wie man dort hin kommt. Markierungen am Hals laden dazu ein, sich auf seine Augen zu verlassen und es kostet so manchen viel Überwindung, sich von der Bequemlichkeit zu lösen. Was aber passiert ist nicht etwa ein Haufen schiefer Töne, sondern Freiraum, sich mehr auf das Gefühl im Bachi einzulassen, mehr Raum, um der Musik zuzuhören, die man spielt, mehr Raum, seine Musik aktiv zu formen. Deshalb: Mut zur Lücke! Schaut nicht immer auf die Punkte und Markierungen, nur weil sie da sind. Vertraut darauf, dass eure Hände sich an die Abstände und Bewegungen gewöhnt haben. Wer blind auf der Computer-Tastatur tippen kann, kennt die Vorteile: Mehr Raum für’s wesentliche. Hingucken kann man immer noch, wenn man mal auf eine ungewöhnliche Position muss. Aber durch Ausprobieren und Wiederholen könnt ihr nach und nach alle Positionen auch ohne Hingucken finden. Vor allem, weil es ja immer Positionen im Kontext sind. Es geht nicht darum, sich hinzusetzen und aus dem Nichts Position 18 sauber greifen zu können. Das ist zwar ein beeindruckender Skill, aber vollkommen überkandidelt. Ihr wollt im Stück, in einer Melodie die Töne ansteuern können. Und da geht es dann immer nur darum, wie man von A nach B springt und seine Finger arrangiert. Also, klebt euch fleißig Punkte, lernt und spielt viele schöne Lieder, und scheut euch nicht davor, Punkte wieder abzukratzen, wenn ihr merkt, dass ihr sie benutzt. Damit könnt ihr euch selbst beweisen, dass ihr vorankommt, auch wenn es sich für einen selbst nie so anfühlt – so einen kleinen Ego-Boost braucht doch jeder mal. Also: Schritt für Schritt mit Geduld und Neugier, so wird’s gemacht!
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