“Kann man das auf der Shamisen spielen?” – Stücke umschreiben für Anfänger

Ganz gleich wie lange man schon Shamisen spielt – es gibt wohl kaum jemanden, der nicht seine Lieblingssongs auf seinem Lieblingsinstrument spielen möchte! Aber wie macht man das am besten? Viele Lieder lassen sich für Shamisen anpassen – aber in den meisten fällen lassen sich die Noten nicht direkt von einem Instrument aufs andere übertragen.

Musik für die Shamisen zu transkribieren ist eine Mischung aus Handwerk, Kreativität und vor allem viel Versuch und Irrtum. Ich habe in den letzten Jahren alles Mögliche vom Kinderlied bis zum Anime-Song für Shamisen umgeschrieben und möchte mit euch meine Erkenntnisse teilen. Die vielleicht wichtigste Einsicht, mit der man am Anfang hadert ist folgende: Erfolgreiche Shamisen-Transkription bedeutet nicht, jeden Ton exakt zu kopieren, sondern den Charakter der Melodie so einzufangen, dass er auf der Shamisen gut klingt.

Bevor du loslegst

Ein paar grundlegende Tipps, die dir das Leben leichter machen und dir helfen, auf deinem Weg zum entspannten Umschreiber voranzukommen:

Such dir Stücke aus, die du wirklich kennst und magst. Wenn du mit dem Transkribieren gerade erst anfängst, fang klein und einfach an. Schwierige Stücke sollte man sich für etwas später aufheben, wenn sich das Ganze natürlicher und leichter anfühlt. Am besten eignen sich Melodien, die dir im Alltag in den Kopf kommen – unter der Dusche, beim Kochen, beim Spazierengehen. Je mehr unterschiedliche Lieder du ausprobierst, desto besser – also nicht nur deine Lieblingssongs oder gerade angesagte Hits, sondern auch kurze Jingles, Melodie-Schnipsel oder sogar den Alarmton deines Weckers.

Klein anfangen. Fang nicht gleich mit dem epischen 8-Minuten-Prog-Rock-Stück an. Such dir 10–20 Sekunden Musik aus, die du gut loopen (beim Anhören lückenlos wiederholen) und konzentriert bearbeiten kannst. Du kannst das Stück später immer noch erweitern. Kurze, machbare Abschnitte helfen dir nicht nur, Selbstvertrauen aufzubauen, sondern vor allem auch, die essenziellen Fähigkeiten zu entwickeln, die man braucht – und die kommen nur durch Übung. Nicht jede Transkription muss bedeutungsvoll, neu oder umwerfend sein. Freu dich über die kleinen Erfolge und beobachte, wie das Transkribieren von Mal zu Mal leichter wird.

Bei längeren Stücken flexibel bleiben. Eine Transkription muss nicht exakt wie das Original klingen – im Gegenteil: Oft ist es besser, wenn sie es nicht tut. Ziel ist es, den musikalischen Grundgedanken bzw. Kern der Musik einzufangen, nicht jeden einzelnen Ton. Eine Shamisen-Version sollte mit den Stärken des Instruments spielen und das Besondere an seinem Klang hervorheben. So wird deine Interpretation spannend und einzigartig.

Mein Ansatz: Hören statt Sehen

Kommen wir zu Grundlagen, die dir beim Einstieg helfen werden – unabhängig davon, welche Methode du beim Transkribieren bevorzugst. Viele Anfänger greifen sofort zu Noten und versuchen, Ton für Ton in Shamisen-Notation zu übertragen. Ich bin die Sache von Anfang an anders angegangen und bin damit sehr erfolgreich 😀 Aber jeder Jeck ist bekanntlich anders. Geh also mit Neugier an die Sache, vergleiche verschiedene Ansätze und nimm dir einfach das raus, was für dich funktioniert.

Schritt 1: Die Melodie komplett verinnerlichen. Ich höre den Song oder Abschnitte davon so lange, bis ich jede Phrase auswendig singen kann. Wer intensiv zuhört, nimmt automatisch den Verlauf der Melodie, den Rhythmus und besondere Wendepunkte. Wenn ich die Melodie sicher aus dem Kopf singen kann, bin ich bereit zum Transkribieren. Wenn ich ein Stück für jemand anderen transkribiere und es noch nicht kenne, arbeite ich in kürzeren Abschnitten. Eine gute Methode, um das Kurzzeitgedächtnis optimal zu nutzen – und eine pragmatische Herangehensweise, die sich bewährt hat. 😊

Schritt 2: Den Einstiegspunkt auf der Shamisen finden. Ganz intuitiv: Wenn die Melodie hoch beginnt, starte ich auf der dritten Saite. Wenn sie tief anfängt, nehme ich die unteren Saiten. Es gibt keine exakte Wissenschaft – ich suche mir einfach einen bequemen Tonbereich mit genug Spielraum nach oben und unten.

Schritt 3: Aus dem Gedächtnis nachbauen. Hier passiert die Magie. Mit der Melodie im Kopf spiele ich Abschnitt für Abschnitt nach Gehör auf der Shamisen – statt vom Blatt abzulesen. Selbst wenn du deinem musikalischen Gehör noch nicht traust, sei mutig und probier es aus – es ist wirklich keine Hexerei! Und durch genau solche Übungen wird dein Gehör ganz von selbst geschult. Wenn mal was komisch klingt: rumprobieren, forschen, anpassen. Und wenn etwas klappt und richtig klingt, gerne schnell direkt per Hand auf einen Zettel notieren, damit man sich nicht alles merken muss 🙂

Die größten Transkriptionsfehler (und wie du sie vermeidest)

 

Fehler #1: Alles 1:1 übertragen wollen

Der Klassiker. Viele Anfänger versuchen, jede Note aus dem Original exakt zu übernehmen – Frust ist da oft vorprogrammiert. Viele Details lassen sich auf der Shamisen einfach nicht realisieren – und damit muss man dann eben arbeiten.

Die Lösung: Gewöhn dich daran, Noten gezielt wegzulassen. Wenn sich eine Passage überladen anfühlt oder zu unmöglichen Griffwechseln führt, lass ruhig eine Note weg. Spiel die reduzierte Stelle durch – klingt sie trotzdem noch nach dem Original? Meistens ja, denn nicht alle Töne sind essenziell für den Charakter der Melodie. Und wenn es ganz falsch klingt, dann hast du vielleicht den falschen Ton eliminiert. Mach kein großes Ding draus, sondern probier dann einfach einen anderen!

Wenn du unsicher oder ratlos bist, hilft folgendes: Leg das Instrument weg und schau dir die Passage ein paar Stunden später nochmal an. Mit frischen Ohren hörst du oft viel klarer, was funktioniert und was nicht.

Fehler #2: Songs wählen, die von Begleitung leben

Nicht jeder Song eignet sich für Solo-Shamisen – und das früh zu erkennen, spart eine Menge Gram und Zeit. Melodien, die sehr langsam sind oder stark von Harmonien, Bassläufen oder rhythmischer Begleitung leben, wirken auf der Shamisen oft flach, wenn man sie auf die reine Melodie reduziert.

Darauf solltest du achten: Wähle Songs, deren Melodie allein stark genug ist. Sie sollte auch ohne Begleitung eingängig und prägnant sein.

Beispiel: Ein Stück wie “A Cruel Angel’s Thesis” vom Neon Genesis Evangelion Soundtrack hat eine starke, eigenständige Melodie, während “Duel in the Mist” von Genshin Impact ohne zusätzliche Instrumente im Ensemble nicht richtig funktioniert.

 

Fehler #3: Die kurze Klangdauer ignorieren

Im Gegensatz zu Instrumenten wie Klavier oder Geige, bei denen man Noten lange halten, haben Töne auf der Shamisen nur eine kurze Lebensdauer. Genüsslich langgezogene Noten aus dem Original brauchen daher besondere Aufmerksamkeit. Einmal anschlagen und vier Schläge warten? Funktioniert leider nicht.

Lösungen: Verwende Techniken wie wiederholte Noten mit Sukui (Aufschlag), Hajiki (Zupfen) oder auch Tremolo. Es gibt viele kreative Wege, lange Töne zu gestalten. Das wichtigste ist, dass die Länge insgesamt nicht unter- oder Überschritten wird. Ansonsten sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt, und bei unterschiedlichen Liedern passen unterschiedliche Umspielungen. Aber: Es muss nicht kompliziert sein. Eine einfache Wiederholung des Tons wirkt oft besser als eine übertrieben komplizierte Verkettung.

Mein praktischer Workflow

 

Abschnitte bilden

Ich gehöre zum Typ: Ich will alles, und zwar jetzt gleich! Deshalb möchte ich am liebsten das ganze Stück in einem Rutsch runterschreiben. Aber ich weiß es aus Erfahrung besser: Es macht mehr Sinn und mehr Spaß, das Lied erstmal in klare Abschnitte einzuteilen. Die Benennung ist dabei egal: Verse, Refrain und Bridge oder einfach „langsam“, „witzig“, „komisch“, A, B, C – du willst einfach unterscheidbare Abschnitte haben. So bleibt alles überschaubar, und du hast natürliche Checkpoints, wenn es mal länger dauert und du die Arbeit unterbrechen musst.

Heißer Tip: Fang mit dem Refrain an. Der bleibt am besten im Kopf, hat oft die schönste Melodie und funktioniert auch als eigenständiger Ausschnitt oder in einem Mashup.

Die Stimmung strategisch wählen

Unterschiedliche Stimmungen eignen sich für unterschiedliche Songs, weil sie zu unterschiedlichen Griffpattern führen. Mit der Zeit entwickelst du ein Gefühl dafür, welche Stimmung dir möglichst wenige und kurze Lagenwechsel ermöglicht. Wenn sich das Stück gut anfühlt, aber die Griffe unbequem sind, probier eine andere Stimmung – z. B. statt Niagari mal Honchōshi.

Rhythmus vereinfachen

Beim ersten Entwurf reduziere ich den Rhythmus stark und konzentriere mich auf die Tonhöhen, also den Rahmen der Melodie. Den Rhythmus verfeinere ich dann später, genauso wie die Techniken, mit denen sich die Melodie möglichst flüssig spielen lässt. Wenn man direkt eine gute Idee hat, kann man alles in einem Schritt machen, aber ansonsten macht es mehr Sinn, das Stück in Etappen zu polieren.

Fingersätze durchdenken

Wenn du die Töne gefunden hast, heißt das nicht automatisch, dass der Fingersatz klar ist. Probier verschiedene Varianten aus. Manchmal wirkt etwas auf dem Papier kompliziert, spielt sich aber super – und andersrum. Schreib dir deine endgültigen Fingersätze auf – du wirst dir (und mir, höhö) später dankbar sein.

Referenz-Hilfen Nutzen

Auch wenn ich hauptsächlich nach Gehör arbeite: Manchmal ist ein Tonhöhen- oder Lagenreferenz sehr hilfreich. Wenn du mit westlicher Notenschrift arbeitest oder in einem Ensemble oder Studio-Projekt exakte Tonhöhen brauchst, helfen dir gute Ton- und Lagenübersichten enorm weiter – und werden vielleicht sogar zu einem deiner neuen Lieblingswerkzeuge.

Solche Tools sind keine Krücke, sondern eine Brücke zwischen unterschiedlichen Instrumenten.

Lernprozess: Versuch und Irrtum bringen dich weiter!

Vielleicht der wichtigste Rat: Transkription lernt man durch Praxis, nicht durch Theorie allein. Mit jedem Lied lernst du irgendetwas Neues – über die Spannbreite an Möglichkeiten der Shamisen, über Melodien und über dein eigenes musikalisches Gespür.

Manche Transkriptionen funktionieren direkt komplett mühelos. Andere brauchen mehrere Anläufe, einen Perspektivenwechsel – oder einfach eine Pause. Beides ist normal und schlichtweg Teil des Prozesses.

Fang einfach an.

Wenn das alles überwältigend klingt: Du musst nicht alles perfekt können, bevor du loslegst. Nimm ein einfaches Lied mit klarer Melodie, den du gut kennst. Arbeite dich Abschnitt für Abschnitt durch, mach Fehler, probier Verschiedenes aus – und genieß den Prozess.

Ziel ist nicht Perfektion, sondern deine Fähigkeiten zu erweitern, dein Gehör zu schulen und dein Repertoire mit Musik anzureichern, in die du vernarrt bist.

Ich habe umfassende Tonhöhen- und Lagentabellen erstellt, die unheimlich nützlich sein können. Wenn du denkst, zusätzliche Orientierung gebrauchen zu könenn, findest Du sie im Mitgliederbereich auf meiner Patreon-Seite. Dort findet ihr außerdem zum selber ausdrucken Shamisen-Notenpapier! Für alle, die nicht gerne Linien per Hand ziehen: Notenpapier hier runterladen.

Wenn du nicht weißt, womit du anfangen sollst, kannst du dich auf die anstehende Transkriptions-Übungsreihe freuen. Ich arbeite gerade an ein paar kurzen und knackigen Beispielen, mit denen du direkt loslegen kannst. Falls du keine Sekunde länger warten kannst: Jingles zu transkribieren ist ein hervorragender Einstieg – kurz, eingängig, leicht zu merken (Stichwort: Ohrwurm).

Egal welches Lied du als Erstes transkribieren möchtest: Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

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