Hazunde – Groove mit System

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Wer Shamisen-Musik viel vom Blatt spielt und weniger nach Gehör, der sollte sich mit dem Thema Hazunde etwas genauer auseinandersetzen. Hazunde ist der gestaffelte Rhythmus, der vielen Volksliedern unterliegt und auf den ersten Blick im Notenbild nicht zu erkennen ist.

Worum es geht

Hazunde ist – weiter unten noch ausführlicher erklärt – ein bestimmtes Rhythmuspattern, das vielen japanischen Volksliedern als grundlegender Rhythmus unterliegt. Wer Stücke wie Ajigasawa Jinku, Tsugaru Jinku oder Kuroishi Yosare kennt, dem ist vielleicht das besonders beschwingte Grundtemperament dieser Stücke aufgefallen. Die größte Schwierigkeit am Hazunde-Rhythmus ist, dass er im Notenbild optisch nicht zu erkennen ist, sondern man beim Lesen den Notentext mental konvertieren muss. Woher man dann weiß, ob ein Lied im Hazunde-Rhythmus gelesen und gespielt werden muss? Meistens gibt es dafür einen Vermerk in den Noten. Aber leider nicht immer. Der Vermerk ist aber, wenn er da ist, auf Japanisch. Und das kann nicht jeder lesen. Klingt alles furchtbar? Keine Sorge, mit etwas System lässt sich das alles meistern.

 

Noten als Gedächtnisstütze

Normalerweise geht man davon aus, dass einem ein Notenblatt alle wichtigen Informationen gibt, die man zum Spielen eines Stücks benötigt. Das stimmt auch grundsätzlich, aber gerade Shamisen-Noten sind dafür bekannt, dass sie oft nicht stringent präzise notiert sind. Ein besonderer Fall ist die Notierung des Hazunde-Rhythmus.

 

Beispiel: Tsugaru Jinku

Hier haben wir den Anfang des Klassikers Tsugaru Jinku.
Wer sich ganz unbescholten ans Lesen und Spielen macht, noch nie etwas von Hazunde gehört hat und nicht weiß, wie das Lied klingt, wird vom Rhythmus her die ersten drei Takte in folgendem Rhythmus spielen:

Da alle Noten einfach unterstrichen sind, haben sie alle den gleichen Längenwert, werden also gleich lang gespielt.
Wer Das Lied kennt, weiß, dass die Melodie nicht einfach geradeaus gespielt wird und lässt sich unter Umständen durch die Noten verwirren.

Tatsächlich klingt der Rhythmus so:

Hazunde identifizieren

Wir wissen nun bereits, dass sich aus Notenbild selbst nicht erschließt, ob ein Stück im Hazunde-Rhythmus gespielt werden soll.

Den Unterschied macht eine kleine Anmerkung [ はずんで ] , die normalerweise über der ersten Notenzeile zu finden ist, in der Grafik hier blau eingekreist. Wer Hiragana lesen kann, wird entziffern können, dass dort „Hazunde“ steht.
Und diese Anweisung sagt dem Leser, dass der Rhythmus zwar gerade da steht, aber nicht gerade gespielt wird. Das muss man erstmal bemerken. Wenn man aber weiß, dass es das stehen könnte, kann man gezielt danach Ausschau halten.

 

Wer keine Hiragana lesen kann, sollte sich diese Zeichenkette also möglichst irgendwie einprägen oder abpausen/abmalen und als kleines Memo zu den Noten legen, um dann die kryptischen Zeichen in den Noten mit dem Schlüssel zum Erfolg abgleichen zu können. Hier ein paar verschiedene Schrifttypen zum einprägen, abspeichern und abgleichen:

 

Vom Sinn und Unsinn dieser Notationsweise

Wie eingangs erwähnt, kommt es nicht selten vor, dass in den Shamisen-Noten Fehler oder Ungenauigkeiten stecken. Vor dem Hintergrund, dass die Niederschrift von Musikstücken eine ziemlich moderne Angelegenheit ist und in der Musikvermittlung nach wie vor stark auf orale Überlieferung gesetzt wird, sind die Noten in dieser Form auch genügend. Die Noten einfach gerade aufzuschreiben und den Swing zwischen den Zeilen mitzulesen vereinfacht die Niederschrift.

Hazunde richtig lesen

Oben in der Rhythmusnotation sieht man bereits, wie Hazunde gelesen wird: Bei vier gleich aussehenden Noten in einem Takt spielt man statt gleich-gleich-gleich-gleich abwechselnd kurz und lang. Der erste Puls ist lang, der nächste kurz, der nächste wieder lang, der letzte kurz. Achtung: Das gilt jetzt für einen Takt mit vier gleich notierten Schlägen. Die Schläge sind auch nicht einfach irgendwie lang oder kurz, sondern der lange Schlag ist doppelt so lang wie der kurze.

Dieser Rhythmus klingt beschwingt, fröhlich, treibt. Ich nenne ihn immer „Herzschlag-Rhythmus“. Das kann man sich nicht nur gut merken, sondern jeder weiß auch sofort, wie der Rhythmus sich anfühlt und klingt. Ein anderes Bild, das einem das Eingrooven erleichtern kann ist das Bild einer hinkenden Person (wohingegen der normale, gerade Schlag zum Bild einer normal geradeaus laufenden Person passt). Wer sich ein bisschen mit Rhythmus auskennt, hat vielleicht schon mal den Begriff „Shuffle“ für dieses Pattern gehört.

 

Einfaches Beispiel ausnotiert

Je komplexer der Rhythmus der Melodie wird, desto fummeliger wird im ersten Moment auch die Umsetzung in Hazunde. Aber bleiben wir erst einmal beim harmlosen Fall und schauen uns den Anfang von „Tsugaru Jinku“ noch einmal an. In den ersten Takten sind alle Notenwerte gleich lang. Das Stück beginnt mit einer Pause – die ist dann auch lang. Der erste Ton kommt auf den zweiten Schlag und ist damit kurz. Diese kurze Anfangsnote verleiht dem Stück direkt exra viel Schwung.

 

Hier die gewöhnliche Notenbuch-Variante:

Hier die ausnotierte Version,die dem entspricht,was wir am Ende eigentlich hören wollen:

Hazunde einfach umsetzen

Auch wenn man sich die Mühe machen kann, ein Lied noch einmal komplett abzuschreiben in einer für das Auge leichter lesbaren Fassung, lohnt es sich doch, mal mit Gehör, Groove und Bauchgefühl zu experimentieren. Hier kommen meine drei besten Tricks:

 

Hinhören

Der mit Abstand beste Tipp – und nicht nur für Lieder im Hazunde-Rhythmus – ist, dass Lied im Ohr zu haben. Eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon zu haben, wie das Stück klingt, was man also genau auf dem Instrument hervorbringen möchte, ist für so viele Aspekte hilfreich und bringt so außerordentlich viel, dass ich allen eindringlich wärmstens ans Herz legen möchte, das Hören eines Lieds zu einem festen Bestandteil des Spielens zu machen. Dann kann man die Noten tatsächlich eher als Gedächtnisstütze nutzen und muss sich nicht Ziffer für Ziffer durch die Zeilen hangeln.

Sich das Lied vor dem Spielen einmal anzuhören ist übrigens auch deshalb ratsam, weil in einigen Ausgaben die Angabe, dass ein Stück in Hazunde steht, einfach gänzlich weggelassen wird – vermutlich weil die Stücke als bekannt vorausgesetzt werden oder der Verleger sich nicht vorstellen konnte, dass jemand ein Stück ohne fachkundigen Lehrer nur mit Noten lernt.

 

Morse-Code

Wer dazu neigt, mit den Augen viel an den Noten zu kleben, kann sich einen ganz einfachen und schnellen Trick von mir zu Nutze machen, nämlich die Ergänzung des Notenbilds um eine Morse-Code-Notiz über den Noten. Punkt für kurz, Strich für lang. So ist gleich auf den ersten Blick klar, welche Noten kurz und welche Lang gespielt wird, ohne dass das Hirn lange konvertieren muss.

Äquivalent zur „echten“ Rhythmus-Notation kann man auch ganz fix mit Punkt und Strich arbeiten:

Eingrooven

Wer mehr auf seinen Bauch hören will und sich mit den Augen von den Noten etwas lösen möchte, dem wird das Eingrooven vor dem Spielen helfen: Bevor man mit dem eigentlichen Stück beginnt einfach auf der leeren dünnen Saite für ein paar Takte den Herzschlagrhythmus spielen – so ist man in kürzester Zeit eingetaktet und kann sich dann einfach vom Groove mitreißen lassen.

 

Abweichung vom Grundrhythmus

Hazunde kann bei langsamen Passagen und bei schnelleren Figuren wie Tsuretara und ähnlichem leicht verwirrend werden, weil das Grundschema kurz-lang-kurz-lang nicht so leicht spürbar ist, weil es überspannt wird oder weiter unterteilt werden muss. Hier funktionieren unterschiedliche Ansätze bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich gut. „Augen zu und durch, sich vom Groove mitreißen lassen“ oder „systematisch durchzählen“ sind beides gleichermaßen gute Verfahrensweisen. Je mehr man mit diesem zu tun hat, desto weniger kryptisch wird die ganze Angelegenheit. Mit Routine, Selbstbewusstsein und aufmerksamem (auch sich selbst) Zuhören ist das absolut machbar.

 

„Einfach Machen“ üben

Wer einfache und schwierigere Rhythmen an ein paar leicht verdaulichen Portionen üben möchte, sollte unbedingt bei Patreon vorbeischauen. Dort werde ich über die nächsten Wochen ein paar Übungen hochladen, an denen man das Lesen in Hazunde-Rhytmus gezielt ausprobieren und üben kann, um mehr Sicherheit auf dem Gebiet zu erlangen.

Viel Spaß und beschwingtes Musizieren!

Hier das Video zum Artikel ansehen:

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